ABOWI in Peru: Law vereint Tradition und Moderne

ABOWIs virtuelle Reise nach Lima in die Hauptstadt des Südamerikanischen Landes Peru. “ABOWI – Across Borders With Information” im Gespräch mit dem erfahrenen und international etablierten Anwalt Fernando Castañeda Melgar über Globalisierung, Ratschläge für Jurastudenten und den zwei Welten in Perus Wirtschaft: die formelle und die informelle Welt – von Josefine Antonia Schulte, stud. jur. aus Berlin, Deutschland.

Das drittgrößte Land Südamerikas ist die nächste Anlaufstelle für ABOWI. Wir Fragen rund um die Juristarei mit Gepäck und sind gespannt auf die Antworten. Peru genießt den Ruf ein multikulturelles Land zu sein, dass die Traditionen ehrt, eine ausgezeichnete Küche hat und mit weitläufigen Naturschutzgebieten ein beliebtes Urlaubsziel ist. In Peru leben ca. 31,5 Millionen Einwohner, es liegt im Westen Südamerikas und grenzt an Ecuador, Kolumbien, Brasilien, Bolivien und Chiele.

Das ABOWI-Projekt ist eine Interviewserie mit dem Ziel, 197 Anwälte aus allen Staaten der Welt über Globalisierung und Unterschiede in der Rechtswelt zu befragen. ABOWI steht für „Across Borders With Information“ und fragt: „Was eint Juristen weltweit?

Fernando Castañeda Melgar, Rechtanwalt aus Lima in PeruAls Jurastudent suche ich Antworten auf meine eigenen Fragen, die in meinem Studium oder in Büchern unbeantwortet geblieben sind. Dazu spreche ich mit erfahrenen Anwälten, lerne von Menschen auf der ganzen Welt über ihre durch ihren Standort bedingten Herausforderungen während der Ausbildung, des Studiums bis hin zur alltäglichen Jurapraxis. Ich möchte ihre Ideen und Erfahrungen kennenlernen und sie mit anderen teilen. Besonders während der COVID19-Pandemie und dem damit verbundenen weltweiten Online-Studium erachte ich es als wichtig und wertvoll, mit der Welt in Verbindung zu bleiben. Den Austausch über nützliches Wissen zu teilen und die großen Sorgen durch die Verbreitung der Pandemie dadurch abzufedern.

Mein Interviewpartner Fernando Castañeda Melgar aus Lima in Peru war so freundlich, seine Ansichten und Erfahrungen in der peruanischen und internationalen Rechtswelt zu teilen. Castañeda Melgars und seine Partnerschafts Rechtsanwaltskanzlei, Aramburu Castañeda Boero Abogados (kurz ACB Abogados) befindet sich in San Isidro, Lima in Peru. ACB Abogados konzentriert sich seit 27 Jahren erfolgreich auf das Unternehmensrecht. Sehr interessant ist, dass sie die lokalen Partner der internationalen Anwaltsallianz Diaz Reus sind, die ihre Dienstleistungen in 24 Ländern der Welt anbieten.

JAS: Bitte stellen Sie sich kurz vor: Name, Alter, Herkunft und wie lange üben Sie den Anwaltsberuf schon aus?

F. Castañeda Melga: Mein Name ist Fernando Castañeda Melgar; ich bin 52 Jahre alt, Peruaner und übe den Beruf des Rechtsanwalts seit 27 Jahren aus.

2. JAS: Was hat Sie dazu gebracht, Anwalt zu werden, oder hat das Land, in dem Sie leben, etwas damit zu tun?

F. Castañeda Melgar: Jura war ursprünglich nicht meine erste Wahl, ich interessierte mich sehr für Technik und Wirtschaft, als ich 15 Jahre alt war. Damals (1983) fragten mich meine Eltern und meine Familie ziemlich oft, was ich nach der Schule machen würde und welchen Beruf ich wählen würde. Das führt dazu, dass ich irgendwie musste eine klare Antwort parat haben musste. Aber die Dinge ändern sich, nicht wahr? Und da tauchte Law (Jura) auf. In der 4. Sekundarstufe hatte ich einen Lehrer, der eigentlich Anwalt war, der diese erstaunliche Klasse „Problemas Peruanos“ hatte, die eine Mischung aus peruanischer republikanischer Geschichte, Verfassungsanalyse, sozialem Bewusstsein und Politik war. Und wir hatten Debattierteams in dieser Klasse. In den frühen 80er Jahren gab es in Peru soziale Unruhen und wirtschaftliche Instabilität, und deshalb war diese Klasse einfach perfekt für Debatten. Ich mochte es, zu reden, mit Quellen zu arbeiten und entdeckte, dass ich eine gewisse Fähigkeit hatte, dem gegnerischen Team schnell zu antworten, also fühlte ich mich sehr wohl in der Dynamik dieser Klasse. Mein Lehrer (Sr. Lorgio Devoto war sein Name) fing an, mich „Kollege“ und Dr. Castañeda zu nennen (in Peru werden Anwälte als „Ärzte“ bezeichnet, auch wenn man es nicht ist. In der Tat bin ich das nicht, ich habe einen Master-Abschluss, aber keinen Doktortitel).

In den letzten zwei Jahren des Studiums habe ich endlich meine Berufung gefunden und gespürt, dass Jura die Möglichkeit hat, bestimmte Strukturen umzugestalten und die Entwicklung zu fördern.

3. JAS: Was ist Ihr Fachgebiet?

F. Castañeda Melgar: Mein Fachwissen liegt in den Bereichen: (i) Real Estate (Immobilien); (ii) M/A; (iii) Kartellrecht und unlauterer Wettbewerb.

4. JAS: Wie ist die soziale Anerkennung einer juristischen Karriere in Peru? (In Deutschland z.B. ist die gesellschaftliche Anerkennung gerade für Menschen ohne Berührungspunkte mit Juristen recht hoch. Es gibt sicherlich ein Stereotyp des überlegenen und reichen Anwalts).

F. Castañeda Melgar: Es gibt gemischte Gefühle. Einerseits gibt es viele Fragen aufgrund des schlechten Rufs von Anwälten, der immer mit Korruptionsangelegenheiten verbunden ist, vor allem in den kleinen Angelegenheiten von Lebensmittel- und Räumungsprozessen oder Erbschaften, die viele Menschen betreffen, vor allem mit geringen wirtschaftlichen Ressourcen. Andererseits sind Anwälte auch mit Macht verbunden, sei es wirtschaftlich oder politisch, da sie die großen Interessen des Landes in Vorschriften und Verträge umsetzen müssen.

5. JAS: Wie ist das gesellschaftliche Verständnis von Gerechtigkeit in Peru?

F. Castañeda Melgar: Das Rechtsempfinden in Peru ist sehr schlecht. Die Prozesse dauern lange Jahre und ihr Ausgang ist unvorhersehbar, immer bedroht durch Korruption und schlechte Praktiken der Anwälte.

6. JAS: Mit welchen Herausforderungen sind Sie als Anwalt tagtäglich konfrontiert?

F. Castañeda Melgar: Die überbordende Bürokratie, die geringe Qualifikation der Staatsbediensteten, die fehlende Digitalisierung des Staatsapparates, die geringe Vorhersehbarkeit der Verfahren und die Zeit, die sie dauern können. Ich möchte noch die Instabilität hinzufügen, die derzeit im Land herrscht, was Änderungen im Steuer- und Arbeitsrecht und sogar in der Verfassung selbst mit sich bringt.

7. JAS: Sie sind Anwalt in Peru, aber gleichzeitig leben Sie in einer globalisierten Welt. Wie ist denn die Zusammenarbeit mit Anwälten und Mandanten außerhalb Perus? Haben Sie mit Vorurteilen zu kämpfen?

F. Castañeda Melgar: Die Zusammenarbeit mit internationalen Anwälten ist hervorragend. Wir sind nicht mit Vorurteilen konfrontiert, weil die Transaktionen, an denen wir beteiligt sind, eine internationale Struktur haben. Der Faktor des Länderrisikos tritt immer auf, aber die internationale Schiedsgerichtsbarkeit und die Stabilisierungsklauseln des Einkommenssteuerregimes sind nützlich, um dem ausländischen Investor Vertrauen zu geben.

8. JAS: Bei meinen Recherchen habe ich gesehen, dass Sie international sehr gut und breit aufgestellt sind, wie kommt das? Wie beeinflusst das Ihre Arbeit als Anwalt?

F. Castañeda Melgar: Unsere Arbeit ist immer darauf ausgerichtet, internationalen Standards zu genügen. Das führt dazu, dass wir unsere Mitarbeiter mit großer Sorgfalt auswählen, technologische Hilfsmittel einsetzen und alle Aufträge pünktlich und akribisch erfüllen. Das ist die Art und Weise, wie wir dies während unserer 27-jährigen Erfahrung für notwendig erachtet haben.

9. JAS: Wie international aufgestellt sind die Anwälte in Ihrem Land in Bezug auf die Sprache?

F. Castañeda Melga: Das Segment der Anwälte, das internationale Fälle bearbeitet, spricht fließend Englisch. Sie haben ein LLM-Studium an Universitäten in den Vereinigten Staaten von Amerika oder in englischsprachigen Ländern absolviert.

10. JAS: Wie hoch ist Ihrer Erfahrung nach die Nachfrage nach internationalen Fällen und Mandanten?

F. Castañeda Melgar: Nach meiner eigenen Erfahrung sind es 20-25 Prozent meiner Arbeit.

11. JAS: Welche Art von Rechtsberatung ist bei Ihren internationalen Mandanten besonders gefragt?

F. Castañeda Melgar: Steuerplanung, Gründung von NewCos, Vertragsverhandlungen, Akquisitionen.

12. JAS: Was ich mich frage, und da bin ich wahrscheinlich nicht die Einzige, ist der Glaube an die peruanische Schattenwirtschaft, besonders im öffentlichen Auftragswesen. Was ist dran an diesem Glauben an die peruanische Schattenwirtschaft?

F. Castañeda Melgar: In Peru leben wir, wirtschaftlich gesehen, in zwei Welten: der formellen und der informellen. Internationale Fälle sind nie das Gegenstück zur informellen Welt, aber sie leiden unter den Verzögerungen und anderen Auswirkungen, die der Umgang mit der informellen Welt mit sich bringt. Die Sicherung von Wasser-, Kies- und Holzquellen bei der Ausbeutung von Kohlenwasserstoffen zum Beispiel kreuzt sich mit dieser Welt, die Sie verstehen und handhaben müssen. Diese Schattenwirtschaft macht 75 Prozent unseres Bruttosozialproduktes (BSP) aus.

13. JAS: Wenn ja, was tut man aus Sicht eines Juristen dagegen?

F. Castañeda Melgar: Verträge müssen Klauseln über höhere Gewalt und Kündigung enthalten, um Vertragsstrafen zu vermeiden, die durch die in meiner vorherigen Antwort erwähnten Verzögerungen verursacht werden.

14. JAS: Wie schätzen Sie den globalen Markt in der Zukunft ein? In Deutschland muss man sich irgendwann während des Studiums auf ein bestimmtes Rechtsgebiet spezialisieren. Glauben Sie, dass es sinnvoll und nützlich ist, sich auf internationales Recht zu spezialisieren?

F. Castañeda Melgar: In Peru kann man im letzten Drittel des Jurastudiums Wahlfächer belegen, die den eigenen akademischen und beruflichen Präferenzen entsprechen. Später im Berufsleben ist es wichtig, eine solche Spezialisierung zu haben und eine Kanzlei zu organisieren, die eine Vielzahl von Dienstleistungen anbietet, vorzugsweise solche, die von Unternehmen nachgefragt werden. Ich würde empfehlen, sich auf Verträge und Mergers & Acquisitions (Transaktionen im Unternehmensbereich M/A) zu spezialisieren, was Ihnen die Chance eröffnet, mit internationalen Kunden zu arbeiten.

15. JAS: Wie sinnvoll ist Ihrer Erfahrung nach die Entscheidung für eine juristische Laufbahn? Würden Sie die gleiche Entscheidung nochmals treffen?

F. Castañeda Melgar: Ich denke, ich würde es tun. Es ist eine Frage der Berufung, aber ich denke, es ist ein Beruf mit einer großen Zukunft in Peru.

16. JAS: Welchen Rat würden Sie einem Jurastudenten oder denen, die sich dafür interessieren, geben?

F. Castañeda Melgar: Wähle eine gute juristische Fakultät, dann wähle einen guten Anwalt (und wenn möglich eine Kanzlei), von dem du lernen kannst. Seien Sie ein hervorragender Student und lernen Sie eine zweite Sprache, vorzugsweise Englisch.

17. JAS: Was muss aus Ihrer Erfahrung heraus getan werden, um Anwälte weltweit zusammenzubringen? Oder ist das Ihrer Meinung nach unnötig?

F. Castañeda Melgar: Es ist ein MUSS, Anwälte weltweit zusammenzubringen. Allianzen und Netzwerke funktionieren gut. Es ist von größter Wichtigkeit, dass man seinen Klienten juristische Dienstleistungen sozusagen unter demselben Markendress anbieten kann, wo man Integrität, Qualität und Engagement gewährleisten kann.

Josefine Antonia Schulte, Studentin Rechtswissenschaften aus Berlin Ich bedanke mich bei meinem Interviewpartner Fernando Castañeda Melga für seine Offenheit und Ehrlichkeit. Besonders interessant fand ich seine Antworten zu den Besonderheiten Perus und der peruanischen Schattenwirtschaft, wie sichergestellt wird, dass sie nicht in internationale Fälle und Abläufe eingreift. Zum Anderen finde ich die Ratschläge, die er jedem Jurastudenten gibt, sehr praktisch, gut und seine Aussagen verdeutlichen die Hoffnung. Dem Jurastudium in Deutschland fehlt die Anwendung des Wissens in der Praxis. Es vermittelt den Studenten viel abstraktes Wissen, aber kein Wissen, was die Realität damit zu tun hat. Wie von Castañeda Melgar vorgeschlagen, glaube ich, dass es eine sehr kluge Entscheidung ist, studentischer Mitarbeiter in einer guten Anwaltskanzlei zu werden, um die Theorien dierekt an realen Fällen zu lernen und damit zu merken.

Zum Thema Globalisierung hat Rechtsanwalt Castañeda Melgar andere Erfahrungen gemacht als frühere Interviewpartner mit einem gut funktionierenden internationalen Netzwerk. Dennoch fand ich seine Herangehensweise an internationale Fälle bewundernswert, und seine Leitprinzipien, kurz gesagt Integrität, Qualität und Engagement, sind wahrscheinlich einige der wichtigsten Grundlagen in der Arbeit eines Rechtsanwalts, unabhängig von Fall und Standort.

„Der Einfachheit halber wird im gesamten Text die männliche Form verwendet; die […] weibliche Form ist selbstverständlich eingeschlossen“.

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Über ABOWI:

Across Borders With Information – ABOWI, eine Interviewreihe von Josefine Schulte Jurastudentin aus Berlin in Deutschland. Fragen und Antworten: Eine Reise um die Welt, die Unterschiede und Vorurteile aufdeckt. Was bewegt die Anwälte dieser Erde, Josefine Schulte fragt sich von Aserbaidschan bis Zypern durch.

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